Ein Rückblick auf „Thesen für den österreichischen Medienstandort“ Vortrag von  ORF Generaldirektor Mag. Roland Weißmann am 11. April 2024 im ORF Zentrum Küniglberg.

Fotos: Wolfgang Geißler, Wolfgang Buchta und Wolfgang Menth-Chiari.

Von Wolfgang Geißler

Gestern war ich das erste Mal zu Besuch beim ORF am Küniglberg. Und ja, „Berg“ ist definitiv das richtige Wort dafür. Nachdem wir die Eingangskontrolle passiert hatten, wurden wir angewiesen, den steilen und langen Weg zum Haupteingang zu nehmen. Oben angekommen, war der Anblick des Gebäudes einfach beeindruckend, vor allem wegen seiner imposanten Größe.

Was mich besonders überraschte – und unser Präsident Prof. Dr. Kurt Tiroch wies in seiner informativen Einleitung darauf hin – war, dass wir schon vor dem Vortrag mit Kaffee und Kuchen verwöhnt wurden. Dieser Auftakt deutete bereits darauf hin, dass es nach dem Vortrag noch mehr kulinarische Genüsse geben würde!

ORF FÜR ALLE

Dann wurde uns erklärt, warum der „ORF für Alle“ ausgerufen wurde. Generaldirektor Mag. Roland Weißmann erklärte, dass durch die neue Finanzierung mittels der Haushaltsabgabe, die von €29 auf €15,30 reduziert wurde, nun jeder Haushalt in Österreich den ORF unterstützt. Obwohl nun mehr Menschen einen Beitrag leisten müssen, steht dem ein Sparprogramm von €325 Millionen gegenüber.

Der ORF erzielt in Europa große Erfolge. Sein Marktanteil im TV beträgt in Österreich 34% (was weder ARD noch ZDF in Deutschland erreichen!) und im Radio sogar 68%. Das macht Sender wie Ö1 zum erfolgreichsten Kultursender Europas. Beeindruckend ist auch, dass 80% der Bevölkerung in Österreich die ORF-Sender, ob TV oder Radio, erreichen, und im Laufe eines Monats konsumieren 95% der Bevölkerung irgendwelche ORF-Programme.

Die Umstellung vom 1.1. 2024 brachte nicht nur eine neue Finanzierung mit sich, sondern auch mehr Transparenz bei den Gehältern und eine Regulierung der Nebenbeschäftigungen des ORF-Personals sowie ihrer Social-Media-Aktivitäten durch einen Ethikkodex. Bezüglich der Finanzierung des ORF kommen 2/3 von der Haushaltsabgabe und 1/3 durch Werbung, wobei etwa 50% der Werbeeinnahmen von Österreich nach Deutschland fließen.

Im Gegensatz zu den USA, wo Sender den Shareholdern verantwortlich sind, sind öffentlich-rechtliche Sendeanstalten eine typisch europäische Institution. Diese werden als entscheidend für den sozialen Zusammenhalt und somit für die Demokratie angesehen. Auch für die österreichische Identität sind sie wichtig, insbesondere angesichts des großen deutschen Nachbarn. Ein Beispiel hierfür ist die beliebte Fernsehserie „Tatort“, die nicht nur identitätsstiftend ist, sondern auch in Deutschland sehr geschätzt wird.

Künstliche Intelligenz (K.I.) ist auch für den ORF ein wichtiges Thema, mit dem er sich intensiv auseinandersetzt. Besonders im US-Wahlkampf wurde deutlich, wie schwer es ist, zwischen echten und falschen Informationen zu unterscheiden. Daher ist unabhängiger Qualitätsjournalismus so wichtig, der jedoch immer wieder angegriffen wird, nicht nur in den USA. Trotzdem dominiert Social Media und untergräbt das Vertrauen in die Wahrheit. Gleichzeitig sinkt die Aufmerksamkeitsspanne der Nutzer auf 20-30 Sekunden, was den Dialog erschwert.

K.I. mag ein Werkzeug sein (in den Social Media, wie z.B. Facebook des ORF, steckt nur K.I. dahinter), aber der Journalismus selbst bleibt „handgemacht“, „hand-made“, wie sich der Generaldirektor ausdrückte.

Der ORF ist der größte Investor in die heimische Filmwirtschaft, wodurch er 5000 Menschen Arbeit bietet. Zudem investiert er jährlich €100 Millionen in Kunst und Kultur sowie weitere €100 Millionen in den Spitzensport. Wenn der ORF das nicht täte, würde es in Österreich niemand tun.

Nach dem 40-minütigen Vortrag des ORF-Generaldirektors, in dem er über Transparenz, Ethik, internationale Reichweiten, K.I., Erlösquellen, Finanzierungsmodelle und die Bedürfnisse der Medienkonsumenten referierte, folgten weitere 40 Minuten intensiver Fragen unserer Mitglieder, die von Mag. Weißmann geduldig und offen beantwortet wurden.

AUNTIE BEEP UND ORFERL

Als Österreichisch-Britische Gesellschaft ist es naheliegend, Ähnlichkeiten zwischen der BBC und dem ORF zu suchen und zu erkennen. Die BBC, liebevoll von den Briten als „Auntie Beeb“ bekannt, und der ORF, humorvoll als „Orferl“ bezeichnet, sind beide bedeutende öffentlich-rechtliche Sender.

Die BBC ist weit mehr als ein einfacher Sender; sie ist ein kulturelles Phänomen, ein Symbol für Qualität und Vielfalt. Seit ihrer Gründung im Jahr 1922 als Radiosender hat sie sich zu Europas größter öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt entwickelt. Während sie in Großbritannien gelegentlich kritisiert wird, wird sie auf dem Kontinent verehrt wie eine Monarchin auf ihrem Thron.

Warum? Vielleicht liegt es daran, dass die BBC als Vorbild für öffentlich-rechtliche Sender diente. Nach dem Zweiten Weltkrieg sahen viele Länder zu ihr auf und dachten: „Das könnten wir auch machen!“ Österreich war da keine Ausnahme. Die Idee war, den politischen Diskurs zu fördern, und die BBC bot das leuchtende Beispiel dafür.

Ein oft hervorgehobener Punkt ist ihre Finanzierung. Stellen Sie sich vor, sie verzichtet auf jegliche Werbung! Stattdessen finanziert sie sich ausschließlich durch Gebühren. Ein Budget von €5,5 Milliarden pro Jahr ist dabei keine Kleinigkeit. Doch das Interessante ist, wie transparent sie damit umgeht, indem sie detaillierte Berichte über Einnahmen, Ausgaben und sogar die Gehälter ihrer Mitarbeiter und Stars veröffentlicht. Das ist bei anderen Sendern schwer vorstellbar!

Der ORF wird hauptsächlich durch Rundfunkgebühren finanziert, die von den österreichischen Haushalten erhoben werden, aber auch durch Werbung.  Diese Gebühren sind verpflichtend und werden durch die Rundfunkgebührenordnung festgelegt. Die neue ORF-Haushaltsabgabe ersetzt ab 2024 die bisherige GIS-Gebühr (Rundfunkgebühr).

Die BBC hingegen wird durch eine Kombination aus Rundfunkgebühren (TV Licence Fee), Handelseinnahmen und kommerziellen Aktivitäten finanziert. Die Rundfunkgebühren werden von britischen Haushalten bezahlt, die Fernsehgeräte besitzen, und sind ebenfalls verpflichtend. Die Höhe der Rundfunkgebühr wird von der britischen Regierung festgelegt.

Natürlich gibt es auch Kritik. Die Politik übt möglicherweise zu viel Einfluss auf die BBC aus. Alle zehn Jahre erstellt der Medienminister die Royal Charter, die dann die strategischen Ziele der BBC festlegt. Das kann zu Spannungen führen, insbesondere wenn es um Themen wie Unabhängigkeit und Objektivität geht.

Der ORF ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes, die durch ein eigenes ORF-Gesetz geregelt wird. Die Führung liegt in den Händen eines Generaldirektors bzw. einer Generaldirektorin, die vom Stiftungsrat ernannt wird. Dieser Rat, bestehend aus politischen Vertretern, Vertretern der Zivilgesellschaft und Mitarbeitern des ORF, ist das oberste Aufsichtsorgan.

Die BBC hingegen ist eine unabhängige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, die durch Royal Charter gegründet wurde und bis 2017 durch den BBC Trust reguliert wurde. Seitdem wird sie vom BBC Board reguliert. Die Führung liegt in den Händen eines Generaldirektors bzw. einer Generaldirektorin, der bzw. die vom BBC Board ernannt wird. Die BBC ist organisatorisch in verschiedene Abteilungen und Dienste unterteilt, die verschiedene Aspekte der Programmproduktion und Verwaltung abdecken. Die externe Aufsicht liegt auf Seiten des Staates und der Ofcom-Aufsichtsbehörde.

Insgesamt betreibt die BBC 22 internationale Büros in 9 Ländern weltweit. Zusätzlich zu 7 Büros im Vereinigten Königreich betreibt die BBC 10 nationale Fernsehkanäle (z.B. BBC 1, BBC 2, …) sowie regionale TV-Programme und einen Internetdienst. Die 10 nationalen und 40 lokalen Radiosender sind in 43 Sprachen zu empfangen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Position der BBC in Großbritannien derjenigen des ORF in Österreich ähnelt, wo beide öffentlich-rechtlichen Sender großen Einfluss ausüben.

ORF

Nun, lassen Sie uns über den ORF sprechen, das Österreichische Rundfunk Fernsehen. Eine lange und facettenreiche Geschichte, die eng mit der Entwicklung des Rundfunks in Österreich verbunden ist. Die erste Sendung des Rundfunkbetreibers „RAVAG“ wurde 1924 vom obersten Stockwerk des Kriegsministeriums am Stubenring ausgestrahlt.

Erinnern Sie sich an das Funkhaus in der Argentinierstraße? Ja, das war sozusagen der Ursprung. Der Bau des ersten österreichischen Funkhauses im 4. Wiener Gemeindebezirk wurde nach Plänen von Clemens Holzmeister, Heinrich Schmid und Hermann Aichinger am 27. März 1935 beschlossen, am 17. Oktober begann man mit dem Bau, 1938 war er vollendet. Es handelte sich um eine unsymmetrische Anlage mit glatten Fassaden und einem dreiteiligen Haupteingang mit vorgelagerter Freitreppe, gestaltet mit neoklassizistischen Elementen.

Dann, in den 1960er Jahren, erfolgte der große Umzug auf den Küniglberg, der nicht nur einen neuen Standort markierte, sondern auch einen neuen Abschnitt in der Geschichte des ORF einläutete.

Die früheste Heimstätte des Fernsehens war ein ehemaliges Schulgebäude in der Meidlinger Singrienergasse. Ab Mai 1955 wurden von dort die Sendungen des „Versuchsprogramms“ ausgestrahlt. Mitte der 1960er Jahre waren die Betriebsstätten des Fernsehens über ganz Wien verstreut. Im Frühjahr 1968 begann der Bau des ORF-Zentrums am Küniglberg.

Das ORF-Zentrum am Küniglberg ist mehr als nur ein Gebäude; es ist das Herzstück des österreichischen Rundfunks. Hier werden Ideen geboren und Programme produziert, die die Menschen in Österreich bewegen. Es hat eine lange Liste von Hörfunk- und Fernsehprogrammen hervorgebracht, die das kulturelle Leben im Land geprägt haben.

2014 beschloss der ORF-Stiftungsrat, alle Wiener ORF-Standorte im Küniglberg-Zentrum, dem denkmalgeschützten Roland-Rainer-Gebäudekomplex, zu vereinen. Eine große Herausforderung, die 2019 begann und mit der Fertigstellung des Multimedialen Newsrooms im Jahr 2022 endete. Ein Schritt in Richtung Zukunft, um sicherzustellen, dass der ORF auch weiterhin eine wichtige Rolle in der österreichischen Medienlandschaft spielt.

Mit seinen 4 TV-Sendern, 12 Radiosendern, dem ORF.at-Netzwerk, den 9 Landesstudios, dem weltweiten Korrespondentennetz, der TVthek, dem TELETEXT und vielem mehr versorgt der ORF sein Publikum mit einem umfassenden öffentlich-rechtlichen Programmangebot in Fernsehen, Radio und Online. Mehr als 90% der Österreicherinnen und Österreicher nutzen täglich eines der ORF-Angebote. Derzeit entwickelt der ORF den ORF PLAYER zur Streamingnutzung seiner Programme.

Dieser so erfolgreiche Abend wurde mit köstlichen Brötchen, Süßspeisen sowie alkoholfreien (!) Getränken beendet.

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