Rückblick auf den Vortrag von und mit Stefan Weichinger, gemeinsam mit Robert Augmüller Betreiber der Porto Vino, am Montag, 29. September 2025, in der heimeligen Bar in der Dornbacherstraße 107, 1170 Wien.
(Fotos: © Wolfgang Geißler, Wolfgang Buchta)
Von Wolfgang Geißler
Im England des 18. Jahrhunderts war Port fast so wichtig wie das Parlament selbst. In den Londoner Clubs floss er in Strömen – mit durchaus schmerzhaften Folgen. Die „Portwein-Gicht“ galt als Modekrankheit der besseren Gesellschaft.
Premierminister William Pitt der Ältere oder der Gelehrte Dr. Samuel Johnson kannten das Leiden nur zu gut. Auch Sir Robert Walpole, der erste „Prime Minister“, und der große Essayist Horace Walpole sollen von Gicht geplagt gewesen sein – ihre Briefe sind voll von humorvollen, aber bitteren Klagen über geschwollene Zehen.
Noch berühmter ist der Fall von Georg IV., Prinzregent und später König: seine Vorliebe für Port, Madeira und üppige Tafeln machte ihn zum Karikaturen-Liebling der Zeitungen. Der schwergewichtige Regent, meist mit Glas und Stock dargestellt, wurde zum Sinnbild der „Portwein-Gicht“ der oberen Schichten.
Auch Charles Darwin litt später unter Gichtanfällen, die er selbstironisch auf seine Liebe zum Portwein zurückführte.
Karikaturisten hatten ihre helle Freude: Sie zeichneten Minister humpelnd mit Gehstöcken durch Whitehall, und man spöttelte, dass man an der Zahl der Krücken in London ablesen könne, wie gut die Portweinfässer in Porto gefüllt waren.
Hinter der Anekdote steckt eine ernsthafte Geschichte. Port entstand im Douro-Tal in Portugal, wo Engländer im 17. Jahrhundert nach Alternativen zum französischen Claret suchten. Um den Wein haltbar zu machen, gaben sie Weinbrand hinzu. So blieb die Süße erhalten und der Wein wurde kräftiger – der Port war geboren.
Der Methuen-Vertrag von 1703 machte Port zur Herzensangelegenheit britischer Händler und Konsumenten. Handelshäuser wie Taylor, Graham oder Warre prägten das Bild. Schon 1756 führte der Marquês de Pombal eine gesetzliche Regulierung des Douro-Gebiets ein – damit war Port einer der ersten geschützten Herkunftsweine der Welt.
Heute umfasst die Vielfalt Ruby, Tawny, Vintage oder LBV. Port ist nicht nur ein Dessertwein, sondern ein Kulturgut, ein Ritual – und ein Bindeglied zwischen Portugal und Großbritannien.
Dieses Kulturerbe konnten wir in Wien auf besondere Weise erleben: bei Porto Vino in der Dornbacherstraße 107 in Hernals.
Das Haus von Stefan Weichinger und Robert Augmüller ist eine Schatzkammer für Portweinfreunde. Neben den großen Namen führen sie gezielt kleine Produzenten, die man in Österreich sonst kaum findet. Jeder Wein dort ist mit einer Geschichte verbunden: man kennt den Winzer, den Weingarten und die Kellerarbeit.
Die Atmosphäre ist familiär, kenntnisreich und ganz der Leidenschaft für Port gewidmet. Es war das perfekte Umfeld für unsere Austro-British Society, um Neugier mit Genuss zu verbinden.
Der Präsident der Austro-British Society, Prof. Dr. Kurt Tiroch, eröffnete den Abend mit herzlichen Worten. Er erinnerte daran, dass die Gesellschaft in den letzten 15 Jahren zahlreiche Verkostungen unterschiedlichster Art veranstaltet habe – von Whisky bis Champagner. Doch eines hatte bislang gefehlt – der Portwein.
Das Thema sei vor etwa zwei Jahren eher zufällig aufgekommen und erst vor einem halben Jahr wieder aufgegriffen worden. Umso erfreulicher sei es, dass dieser Abend nun in die Tat umgesetzt werde. In diesem Zusammenhang stellte er den Gastgeber, Kenner und Connaisseur Stefan Weichinger vor, der die Gäste durch den Abend führen sollte.
Prof. Tiroch betonte, selbst kein ausgewiesener Portweintrinker zu sein. In Österreich begegne man Port selten, und in Bars werde meist nur Standardware angeboten. Umso mehr freue er sich, dass nun eine echte Entdeckungsreise in die Vielfalt des Portweins bevorstand, an der alle Anwesenden teilhaben könnten.
Anschließend übernahm Stefan Weichinger das Wort. Er erklärte, dass er gemeinsam mit seinem Kollegen Robert Augmüller die Bar betreibe. Während Augmüller sich vor allem auf Stillweine konzentriere, habe er selbst sich auf den Portwein spezialisiert.
Gerade in Österreich, so Weichinger, finde man fast ausschließlich die großen Namen wie Sandeman, Graham oder Taylor. Dies sei bedauerlich, da die Vielfalt weitaus größer sei. Aus diesem Grund arbeite er bewusst mit kleineren Produzenten aus Portugal zusammen, die großartige Qualitäten bieten. Von jedem Portwein, den man an diesem Abend verkosten werde, kenne er persönlich den Winzer, den Weingarten und die Kellerarbeit.
Über die Typen und Besonderheiten
Weichinger erläuterte zunächst die Grundstruktur der portugiesischen Weine:
- Schaumweine (sparkling)
- Stillweine
- Portwein – ein sogenannter „fortified wine“ (aufgespriteter Wein).
Für Portwein seien 66 Rebsorten zugelassen, von denen mindestens vier in jedem Cuvée enthalten sein müssten. Einen sortenreinen Port gebe es nicht.
Vintage Port
Im Mittelpunkt des Abends stand nach seinen Worten der Vintage Port – die Königsklasse, besonders in Großbritannien beliebt. Ein solcher werde nur in außergewöhnlichen Jahrgängen deklariert, durchschnittlich etwa drei Mal pro Jahrzehnt. Ob ein Jahrgang als Vintage eingestuft werde, hänge von zahlreichen Faktoren ab: Wetter, Blüte, Niederschläge und Temperaturunterschiede. Nach zwei Jahren Fasslagerung entscheide der Winzer, ob er einen Vintage deklariere, und reiche diesen beim Portwein-Institut zur Prüfung ein.
Das Besondere an Vintage-Port sei seine Reifung: Er verweile nicht im Fass, sondern reife von Beginn an in der Flasche. Dadurch entwickle er sich sehr langsam, benötige viel Zeit und Sauerstoff und könne über Jahrzehnte hinweg altern.
Herstellung und Charakter
Weichinger ging auch auf die Herstellung ein, die sich stark vom normalen Wein unterscheide. Die Trauben würden traditionell in Granitbecken mit den Füßen vier Stunden lang gestampft, um Saft und Schalen optimal zu vermischen, ohne die Kerne zu verletzen. Die Gärung werde nach wenigen Tagen durch Zugabe von Branntwein gestoppt, wodurch Restsüße und ein Alkoholgehalt von rund 20 % erhalten blieben.
Das Ergebnis sei ein Wein mit großer Frucht, Dichte und Extrakt, in dem Süße und Säure in ausgewogenem Verhältnis stünden. Gute Portweine könnten 60, 70 oder sogar 100 Jahre alt werden.
Die Portweinzange – ein altes Ritual
Ein besonderes Ritual beim Öffnen sehr alter Vintage Ports ist die Verwendung der Portweinzange, auf Portugiesisch Tenaz do Vinho do Porto. Dabei wird eine Eisen- oder Kupferzange im Feuer oder mit einer Gasflamme stark erhitzt und anschließend am Flaschenhals angesetzt. Nach kurzer Zeit kühlt man die Stelle mit einem nassen Schwamm oder Eiswasser ab. Durch den plötzlichen Temperaturunterschied springt das Glas sauber, und der gesamte Flaschenhals samt Korken lässt sich elegant abnehmen.
Der Grund liegt in der Empfindlichkeit alter Korken: Nach 30, 40 oder gar 50 Jahren sind sie oft so porös, dass sie bei einem normalen Korkenzieher zerbröseln würden. Mit der Portweinzange hingegen öffnet man die Flasche nicht nur sicher, sondern auch spektakulär – ein Ritual, das heute fast so sehr zur Feier gehört wie der Wein selbst.
Seit dem 18. Jahrhundert wird in Portugal und England die Tenaz do Vinho do Porto verwendet. In den Londoner Gentlemen’s Clubs war das Öffnen alter Vintage Ports mit der glühenden Zange fast so wichtig wie das Trinken selbst – ein Schauspiel, das Gäste beeindruckte und nebenbei brüchige Korken elegant ersetzte.
Unterschied zu anderen Weinen
Zum Vergleich führte er aus:
- Madeira erhalte seine Typizität durch eine Wärmebehandlung.
- Sherry werde im Solera-System gelagert, bei dem verschiedene Jahrgänge kontinuierlich vermischt würden.
Alle drei – Madeira, Sherry und Port – gehörten zur Familie der „fortified wines“, unterschieden sich jedoch in Rebsorten, Klima und Herstellung.
Zum Abschluss seines Vortrags hob Stefan Weichinger hervor, dass Portwein weit mehr sei als ein süßer Dessertwein. Er sei ein Kulturgut, das tief mit Portugal, aber auch mit Großbritannien verbunden sei. Und er lade dazu ein, eine Tradition fortzusetzen, die seit Jahrhunderten gepflegt werde – an diesem Abend auch hier in Wien.
Die Verkostung – vier Gläser, vier Reisen
Im praktischen Höhepunkt des Abends führte Stefan Weichinger die Gäste durch die Verkostung von vier Vintage Ports, die gemeinsam eine kleine Zeitreise durch fast zwei Jahrzehnte darstellten:
- Bulas Vintage 2013 – ein noch junger Port, kräftig, voller Frucht und Energie, mit großem Entwicklungspotential.
- Messias Vintage 2003 – zwanzig Jahre gereift, ausgewogen und harmonisch, mit ersten Anklängen an Komplexität.
- Vallegre Vintage 2000 – elegant und vielschichtig, ein Wein mit Tiefe und Balance, der bereits große Reife zeigte.
- Feuerheerd Vintage 1997 – der älteste des Abends, gereift und komplex, samtig und harmonisch, ein eindrucksvolles Beispiel für die Langlebigkeit großer Ports.
Jedes Glas eröffnete ein eigenes Kapitel der Portweingeschichte und veranschaulichte eindrucksvoll, warum Portwein weit mehr ist als ein süßer Dessertwein: Er ist Geschichte im Glas.
Der Abend endete nicht nur mit zufriedenen Gesichtern, sondern auch mit vollen Taschen: Einige Mitglieder ließen es sich nicht nehmen, Flaschen mit nach Hause zu nehmen. Auch der Autor dieser Zeilen erlag der Versuchung – und griff aus purer Neugier zu einem Bulas Porto 10 Jahre alten Dry White, seinem allerersten weißen Port.
Eine Frage jedoch bleibt offen:
Beim nächsten Treffen der Austro-British Society werde ich mit besonderem Interesse auf die Anzahl der Gehstöcke achten. Wer weiß – vielleicht hat sich der eine oder andere inzwischen die sprichwörtliche „Portwein-Gicht“ eingefangen.
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