Rückblick auf den Vortrag „Die österreichische Innenpolitik im Spannungsfeld mit der Europäischen Union“ von Bundesministerin Karoline Edtstadler am 6. November 2023 in der Diplomatischen Akademie.

Von Wolfgang Geißler

Unser rühriger sowie einflussreicher Vizepräsident Botschafter Dr. Alexander Christiani hat es wieder einmal geschafft, im Rahmen seiner so erfolgreichen Vortragsreihe, bestückt mit prominenten Rednern wie Martin Weiss oder Dr. Wolfgang Schüssel diesmal ein weiteres politisches Schwergewicht, wie er selbst sagte, Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler, für die Österreichisch-Britische Gesellschaft zu gewinnen. Dr. Christiani, ein Diplomat der alten Schule, anstelle einer Einleitung warf die Frage auf, wer den Satz gesagt hätte „Mir ist es auch lieber, die Leute haben Respekt vor mir, als dass sie mich ,eh lieb’ finden“, um sofort, ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle, nicht auf die unnötige Antwort wartend, Folgendes charmant zu konstatieren: Wir in der Österreichisch-Britischen Gesellschaft gehören alle zur ersten Gruppe (wir haben den gebührenden Respekt vor Karoline Edtstadler) aber auch zur zweiten Gruppe mit der folgenden Maßgabe: „lieb ist liebenswürdig und das ,eh’ muss man streichen“.

Das animierte die Bundesministerin zur folgenden Anekdote.

Zu Hause in Salzburg geht man offensichtlich mit Bundespolitikern anders um als im fernen Wien. Eines Tages ging sie mit ihrem Hund im Europark einkaufen, als sie auf einen älteren Herrn aufmerksam wurde, der sie beobachtete.  Wenig später, als sie sich zum Essen in ein fernes Eck verzog, gesellte sich derselbe Herr zu ihr an den Tisch, mit den Worten „Wir kennen uns, Du bist die Karo“ und stellte die Frage „Wie gehst Du mit Deinem Image um? Du wirst als ,kalt’ beschrieben.“ Ihre Antwort darauf liegt im vorigen Zitat.

Wir bestiegen alsdann gleichsam einen Schnellzug der Rhetorik, der uns in seiner stundenlangen, atemberaubenden Fahrt durch die weite Landschaft der Thematik führte.

Karoline Edtstadler bezeichnet sich als eine glühende Europäerin, die es bedauert, dass Großbritannien die EU verlassen hat aber im Gegensatz zu den Schwarzsehern, die von einem dadurch verursachten grassierenden Exit anderer Mitgliedsstaaten unkten, so nebenbei bemerkte, dass das Gegenteil der Fall war. Viele stellen sich an, der EU beizutreten.

Geopolitik

Die EU, wie sie sagt, ist nicht perfekt, denn wir 27 sind die Union und wir haben mehr Probleme gesammelt als gelöst. Der korrekte Schritt in die richtige Richtung ist die Einsetzung einer Geopolitischen Kommission.

Oft darauf angesprochen bestätigt sie, dass Österreich als verlässlicher Partner angesehen wird, der aber auch Probleme aufzeigt.  Auch wenn die Bevölkerung das nicht so nachvollziehen kann, Österreich ist eine starke Stimme für den Westbalkan, der auch für Österreich eine Sicherheitsfrage darstellt. Historisch und kulturell ist der Westbalkan unser „Hinterhof“ und als solcher auch wichtig für österreichische Unternehmer. Sie plädierte für eine graduelle Integrierung, die diesen Staaten Mut und Zukunftshoffnung vermitteln kann, da sie, obwohl noch ohne Stimme bei Entscheidungen, dennoch am gleichen Tisch sitzen können.

„Skyrocketing Numbers“

Unser dunkelste Kapitel der Geschichte war der Holocaust. Bei der Bekämpfung des Antisemitismus war Österreich Vorreiter! Deprimierendes Faktum, seit den brutalen, barbarischen Vorfällen in Israel, dem 7.10., wurden wir um Jahrzehnte zurückgeworfen. Der Kampf gegen den Antisemitismus ist mit dem Kampf gegen Windmühlen vergleichbar.

Einstimmigkeit

Die EU will wahrgenommen werden. Das kann sie nur, wenn sie mit einer Stimme spricht. Einstimmigkeit geht nur bei der Frage der Erweiterung und der Sanktionen (wir halten gerade bei der 12.) Jedoch, Einstimmigkeit funktioniert nicht in der Außenpolitik. Hierzu wäre ein abgestuftes System wohl besser.

Mag. Edtstadler warnt auch vor einer „Außenpolitik mit erhobenen Zeigefinger“ (gerne zitiert sie „African Solutions for African Problems“), denn wir haben auch nicht die „Weisheit mit dem Löffel gegessen“.

Themenkomplex: Europa schützen!

Nur nach wenigen Wochen nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine beschloss man den „Strategic Compass“, der zur wechselseitigen Unterstützung verpflichtet. Was großer Druck von außen leisten kann, zeigt schon allein die Erhöhung des Verteidigungsbudgets Österreichs.

Dennoch muss man erkennen, dass die EU nicht die Probleme der Welt lösen kann.

Wirtschaftspolitik

 Die EU sind Weltmeister in der Bürokratie, womit sie sich das Leben unnötig erschwert. Ein Paradebeispiel ist, dass wohl Start-ups in der EU anfangen, aber dann in die USA abwandern, weil es dort einfacher ist. Es ist ein Problem der (europäischen) Gesellschaft, die sich nicht auf „Trial-and-Error“ einlässt, da man nur ja keine Fehler begehen darf!

EU: Absolut eine Erfolgsgeschichte

 Wer erinnert sich noch, dass die EU Friedensnobelpreisträger ist?

  • Österreicher sind wirklich gute, aber kritische Europäer.
  • Auf Mag. Edtstadlers kolportierte Konflikte mit Alma Zadic angesprochen, erwiderte sie mit einer Umschreibung, wie sie es einst ihrem kleinen Sohn dargelegt hat: „Mama und Papa streiten sich nicht, sie diskutieren nur.“
  • Othmar Karas, immerhin 1. Vizepräsident des Europäischen Parlamentes, was einem nicht geschenkt wird, hat sich selbst von der ÖVP entfremdet.

Die darauffolgende Frage und Antwort Diskussion kann so zusammengefasst werden:

Neutralität: ein hehres Gut? Hat sich gewandelt und wurde ausgehöhlt. Als Neutrale können wir in einigen Bereichen nicht mitreden wie NATO. Die Neutralität ist demnach nicht mehr die Lösung.

 NATO: im Inland unpopulär

FPÖ-AfD: Wie mit Populismus umgehen? Ausgrenzen und ständiges Hinhauen funktioniert nicht. Man muss die 2. oder 3. Reihe der FPÖ provozieren, um zu zeigen, wie sie wirklich sind. Gnade uns Gott, wenn Kickl gewinnt. Ob Van der Bellen ihn verhindern kann?

Österreichs Abhängigkeit von russischem Erdgas: 80 % kommt noch immer aus Russland. Eine schnelle Reduktion ist unrealistisch.

Antisemitismus: die Bundesministerin prangert den „Double Standard“ an, wenn es sich um Israel handelt. „Verteidigung im Rahmen des Völkerrechtes“ hört man sofort bei Israel, aber sie vermisste die gleiche Warnung an die Ukraine!

Bürokratie in der EU: Regeln für große Dinge. Überlasse die „kleinen“ Dinge dem Markt.

Der Schnellzug, auf dem wir vor über einer Stunde aufgesprungen waren, erreichte am Ende seine Destination.

„Wo bekommen Sie das exklusiv: in der Österreichisch-Britischen Gesellschaft!“, mit diesen Worten beendete unser Vizepräsident Botschafter Dr. Alexander Christiani, wie schon am 25. Oktober beim Vortrag von Dr. Schüssel, den gestrigen Abend mit Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler.

Es klingt nach dieser intellektuellen Reise fast banal, doch die köstlichen Brötchen und Getränke, bereitgestellt von der Diplomatischen Akademie, waren uns am Ende sehr willkommen.

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