Ein Rückblick auf die Generalversammlung am 9. September 2025 in der Diplomatischen Akademie. (Fotos: © Wolfgang Geißler)

Von Wolfgang Geißler

Meine Frau und ich waren diesmal irrtümlich eine Stunde zu früh – um 18 Uhr, und nicht wie vorgesehen um 19 Uhr. Doch ich war nicht allein: auch Dr. Martin Eichtinger erschien schon, sichtlich überrascht, dass das Haus noch leer war. Höflich, aber bestimmt, schickte ich ihn wieder fort. „Ach, so viel Eifer!", dachte ich mir.

Grußwort von Dr. Martin Eichtinger, Direktor der Diplomatischen Akademie Wien

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist mir eine besondere Freude, Sie an der Diplomatischen Akademie Wien willkommen zu heißen. Seit dem 1. August habe ich die Ehre, diese renommierte Institution leiten zu dürfen – eine Aufgabe, die ich mit großer Dankbarkeit und Begeisterung übernommen habe.

Unser Leitspruch lautet: „Educating Global Leaders since 1754". Die Akademie wurde von Kaiserin Maria Theresia gegründet – nicht an diesem Standort, wohl aber als eine der ältesten und international angesehensten Ausbildungsstätten für Diplomatie und internationale Beziehungen.

Heute bieten wir drei Masterprogramme an: den Master of Advanced International Studies, unser Kernprogramm, den Master in Environmental Technologies and International Affairs sowie den Master in Digital International Affairs. Ergänzt wird dieses Angebot durch den Diplomlehrgang im Rahmen des HT-Programms.

Derzeit studieren 206 Studentinnen und Studenten aus 59 Ländern an der Diplomatischen Akademie. Diese Vielfalt schafft eine wahrhaft internationale Umgebung, die den Geist unserer Institution widerspiegelt: den Dialog über Grenzen hinweg zu fördern und junge Menschen auf verantwortungsvolle Führungsaufgaben in einer globalisierten Welt vorzubereiten.

Die Pflicht vor der Kür

Nach der formellen Eröffnung war es unser Präsident, Prof. Dr. Kurt Tiroch, der das Wort ergriff. Er berichtete zunächst über den Mitgliederstand. Rund 380 zahlende Mitglieder zählte die Gesellschaft – ein stabiler Wert, auch wenn es geringfügige Schwankungen gäbe. Strikt halte man an der Regel fest: Nur wer zahlt, bleibt dabei; säumige Mitglieder würden nach ein, zwei Mahnungen nach drei Monaten gestrichen.

Die Verwaltung sei dank moderner IT inzwischen fast „per Knopfdruck" zu bewältigen – ein Verdienst vor allem von Friedrich „Frido" Richter, dem Prof. Dr. Tiroch ausdrücklich dankte.

Das Herzstück aber blieben die Veranstaltungen: etwa dreißig allein in diesem Jahr, jede sorgfältig dokumentiert und auf der Website veröffentlicht, samt Berichten und Fotos. Mit der heutigen Versammlung stand die stolze Zahl 449 auf dem Zähler, und schon bald wird die Jubiläumsveranstaltung Nummer 450 folgen – bei Aston Martin/McLaren, gewürzt mit Fachvorträgen und kulinarischem Rahmen. Selbst in den Jahren der Pandemie, so erinnerte Tiroch, habe man den Takt gehalten und später ausgefallene Abende nachgeholt.

Auch die rund vierzig Firmenmitglieder tragen wesentlich zum Erfolg bei, ermöglichen exklusive Formate und bereichern das Netzwerk. Überhaupt sei die Gesellschaft kommunikativ gut aufgestellt – Website, E-Mail, Facebook und Instagram hielten Mitglieder und Interessierte ständig auf dem Laufenden.

Zum Schluss sprach Prof. Tiroch seinen Dank aus – an Mitglieder, Firmenpartner und den Vorstand, die mit Ideen, Mitarbeit und Engagement den Erfolg der Gesellschaft sichern.

Einige Personaländerungen waren zu vermelden: Wolfgang Buchta wurde als neuer Generalsekretär bestätigt, Sabine Schmidt-First als seine Stellvertreterin. Christian Steiner reduzierte aus beruflichen Gründen sein Engagement, während sich Melanie Sully und Jochen Ressel aus dem Vorstand verabschiedeten. Zugleich wurden bewährte Kräfte bestätigt und neue hinzugewählt – ich als Kassier und Eva Vaskovich-Fidelsberger neu als Kassier-Stellvertreterin, jeweils einstimmig.

Meinen Kassierbericht trug ich persönlich vor; die detaillierten Finanzzahlen werden wie üblich schriftlich an die Mitglieder übermittelt. Zum Abschluss verabschiedete ich mich hoffnungsvoll mit den Worten: „Sie sehen mich in zwei Jahren wieder!"

Die Rechnungsprüferin, Ekaterina Yaneva, erstattete kurz Bericht, woraufhin die Entlastung des Vorstands ebenfalls einstimmig erfolgte.

Schließlich kam man zum Thema Mitgliedsbeitrag: Firmenmitglieder bleiben mit 500 Euro jährlich unverändert. Für ordentliche Mitglieder aber, deren Beitrag seit vier Jahren bei 110 Euro liegt, beschloss die Versammlung einstimmig eine Erhöhung auf 150 Euro ab dem 1. Januar 2026. Steigende Kosten – Mieten, Energie, Catering – machten diesen Schritt unumgänglich, wolle man die gewohnte Qualität und Häufigkeit der Veranstaltungen erhalten.

Mit diesen Punkten war der formelle Teil abgeschlossen. Nun konnte der Blick nach vorne gerichtet werden – und zwar auf den Vortrag von Dr. Martin Eichtinger.

Der Auftritt von Dr. Eichtinger

Dann aber zur eigentlichen Kür: Dr. Martin Eichtinger, nunmehr Hausherr der Diplomatischen Akademie, sprach über die „Herausforderungen für Österreich und die EU". Er tat dies mit jener Mischung aus staatsmännischer Übersicht und diplomatischer Erfahrung, die man ihm nur wünschen kann.

Rückblick – dreißig Jahre EU-Mitgliedschaft

Österreich habe in drei Jahrzehnten Mitgliedschaft enorm profitiert: durch den Binnenmarkt, die vier Freiheiten von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen. Ein exportorientiertes Land wie das unsrige, dessen Bruttoinlandsprodukt zu sechzig Prozent auf Außenhandel beruht, könne ohne die EU kaum bestehen. Auch die Landwirtschaft sei nicht vergessen: gerade die kleinbäuerlichen Strukturen, so Dr. Eichtinger, hätten von europäischen Förderungen profitiert.

Er sprach über die Plattformen der gemeinsamen Politik und Sicherheit, über die alltäglichen Vorzüge – Reisefreiheit, den Euro, die Sozialversicherungsansprüche, die Konsularhilfe durch andere EU-Staaten. Und er erinnerte an die wissenschaftlichen und bildungspolitischen Programme wie Horizon Europe und Erasmus+, letzteres inzwischen mit fünfzehn Millionen Teilnehmerinnen und Teilnehmern seit 1987.

Gegenwart – eine Welt im Kopfstand

Doch die Gegenwart sei „ein Kopfstand". Russland habe mit seinem Angriffskrieg auf die Ukraine die europäische Sicherheitsordnung erschüttert. Neue Allianzen wie SCO und BRICS stellten antiwestliche Narrative bereit, die vielen Staaten im globalen Süden attraktiv erscheinen.

Krisenherde gebe es zuhauf: Gaza, Westbank, Iran, Libanon, Jemen. Die Münchner Sicherheitskonferenz habe jüngst dargelegt, dass heute 75 Prozent der Weltbevölkerung in Autokratien leben. Führungsfiguren wie Trump, Putin, Kim oder Xi personalisierten die Weltpolitik, während eine nukleare Drohkulisse wachse.

Österreich selbst habe Akzente gesetzt: beim Atomwaffenverbotsvertrag, bei einer Konferenz über autonome Waffensysteme in Wien. Doch neue Bedrohungen seien längst im All angekommen – GPS-Jamming und Spoofing gefährdeten die Grundlagen globaler Kommunikation.

Hinzu kommen Hunger und Armut, eine Vervielfachung der Notlagen bei gleichzeitig schwächelndem World Food Programme. Auch das Verhältnis von Klimapolitik und Wettbewerbsfähigkeit müsse neu austariert werden: Dekarbonisierung sei notwendig, Deindustrialisierung gefährlich. Und internationale Institutionen wie UNO, OSZE, WTO litten unter Vertrauensverlust und Blockaden.

Handlungsempfehlungen – was zu tun ist

Dr. Eichtinger beließ es nicht bei der Diagnose. Er sprach von einer Kohärenz europäischer Verteidigung, vom Abbau der Zersplitterung – 170 große Waffensysteme in Europa gegen 30 in den USA. Er nannte die Europäische Politische Gemeinschaft und die Erweiterung um den Westbalkan als Gebot der Stunde.

Für Österreich empfahl er eine Modernisierung des Bundesheeres und ein stärkeres Bewusstsein für Sicherheit in der Gesellschaft. In der Wirtschaft dürfe man keine Deindustrialisierung zulassen, müsse Energieautarkie und Bürokratieabbau vorantreiben, den Binnenmarkt vollenden – etwa im grenzüberschreitenden Bahnverkehr. Eine Kapitalmarktunion solle Risikokapital leichter verfügbar machen.

Europa habe keine Rohstoffe, aber es habe Köpfe. Darum seien Bildung, Forschung und Innovation der Schlüssel. Im Bereich Migration verwies er auf das italienische „Piano Mattei" – Partnerschaften mit nordafrikanischen Staaten auf Augenhöhe, um sowohl Entwicklung zu fördern als auch das Schlepperwesen einzudämmen.

Und schließlich: die internationalen Institutionen müssten reformiert werden. Österreich strebt einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat für 2027/28 an. Selbstvertrauen, Mut, demokratische Resilienz – das seien die Werte, die Europa stärker und schneller machen müssten.

Fragen und Antworten

In der Fragerunde ging es darum, ob die USA noch eine Demokratie seien. Ja, meinte Dr. Eichtinger, die Checks and Balances bestünden, doch die Entwicklungen seien besorgniserregend; die Midterms seien Lackmustests.

Zur österreichischen Neutralität sagte er, dass die Menschen in Finnland und Schweden die NATO-Erweiterung selbst vorangetrieben hätten. In Österreich hingegen bleibe die Neutralität identitätsstiftend. Dennoch sei unsere Unterstützung der Ukraine eindeutig – finanziell, humanitär, in der Aufnahme Vertriebener.

Der EuGH, so Dr. Eichtinger, sei ein Motor der Integration, auch wenn einzelne Urteile nicht gefallen mögen. Entscheidend bleibe die Unabhängigkeit der Justiz.

Und schließlich: „Wer setzt das alles um?" – Vieles sei Sache der EU, aber Österreich habe genügend Hausaufgaben in Gesundheit, Bildung und Energie, um Effizienzsteigerungen auch allein voranzutreiben. Die Bundesregierung habe sich Reformen bis Sommer 2026 vorgenommen.

Der Ausklang

Nach so viel Ernst und Substanz tat es gut, zum geselligen Teil überzugehen. Wie schon gewohnt, klang die Versammlung in freundschaftlicher Runde aus – bei guten Gesprächen, köstlichen Kleinigkeiten und dem einen oder anderen Glas Wein. Meine Fotos sollen hoffentlich etwas von dieser gemütlichen Atmosphäre wiedergeben.

Somit ging die 449. Veranstaltung der Österreichisch-Britischen Gesellschaft zu Ende – und wir alle blicken gespannt auf die 450., die uns schon in Kürze erwartet.

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