Sissi und Susi waren die zwei achtjährigen Pferde, die unsere Kutsche zogen. Sissi mit brauner Mähne und Schweif, Susi war blond. Seit Generationen ist diese Pferderasse aus Ungarn eine verlässliche Arbeitskraft für die Bauern des Burgenlands.

Francesca und Nadine waren zwei attraktive Assistentinnen des Gerhard Krachers, die uns gestern im Weinlauben Hof zu Illmitz umsorgten. Francesca, die nur Englisch konnte, kam aus Rom, Nadine eine Wienerin aus Hietzing, die es sich nicht nehmen ließ, für das ihren Eltern gehörende Fischrestaurant in der Hetzendorferstraße Werbung zu machen.

Seit 1959 bewirtschaftet Gerhard Kracher sein Weingut und wird nicht umsonst als der vermutlich berühmteste Winzer Österreichs genannt. Es ist interessant, in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass „unser“ Starwinzer Willi Opitz durch verwandtschaftliche Bande mit dem Kracher verschwägert ist und der Betrieb daher „keine Konkurrenz“ darstellt.

Auf die Bezeichnung „vermutlich berühmtester Winzer Österreichs“ zurückzukommen. Unmittelbar nach unserer Ankunft um 15 Uhr fanden wir uns schon in einer wahren aber willkommenen Tour de Force von Verkostungen erlesenster Weine.

Bis zur geplanten Kutschenfahrt in den 1993 gegründeten 300 km² großen Nationalpark Neusiedlersee-Seewinkel, von dem zwei Drittel in Ungarn, ein Drittel im Burgenland ist, kosteten wir uns wacker durch sieben verschiedene exquisite Weißweine und zwei Rosé.

Die einstündige Kutschenfahrt durch die Puszta mit ihren Sodalacken, Ziehbrunnen und den Schilfhütten für die „Hiatabuam“ war ein einzigartiges Erlebnis. Diese so typisch schwermütig-pannonische Landschaft, reicht weit über den Horizont hinaus, betont aber auch gleichzeitig die Zusammengehörigkeit dieses über Österreich und Ungarn  aufgeteilten Landstriches. Unser Kutscher, der sich bemühte zu beteuern, dass er nicht aus Illmitz, sondern Frauenkirchen käme, übermittelte uns sein Wissen über diese Gegend, durch die wir fuhren. Ich hatte den außerordentlichen Spaß neben ihm auf dem, wenngleich ziemlich windigen, Kutschbock zu sitzen. Im Laufe dieser Stunde unterhielten wir uns über die Geografie und Geschichte des Burgenlands und Westungarns. Ich lernte von ihm, dass man sich hier auch heute noch mit Ungarn verbunden fühlt trotz vergangener Schwierigkeiten, die mit der chauvinistischen Magyarisierung und der Unterdrückung der deutschen Sprache zu tun hatte. Er teilte mir auch mit, dass angeblich die Slowakei sich gerne mit Ungarn wieder vereinigen möchte. Pozsony/Pressburg war durch Jahrhunderte Krönungs- und Hauptstadt des  „Rest-Ungarns“. Das übrige Ungarn war noch von den Osmanen besetzt.

Treuherzig plauderte er mit mir im vertraulichen „Du“. Im Laufe des Gesprächs kamen wir auf den Ungarnaufstand 1956 zu reden. Verdutzt schaute er mich an und fragte, woher ich es denn so genau wisse. „Du bist doch viel zu jung“. Ich hätte 1956 doch nicht miterleben können, worauf ich ihm antwortet, dass ich damals schon zwölf Jahre alt war. Er fiel nahezu von seinem Bock! Er sei 68 Jahre und dachte, ich wäre jünger als er, daher habe er mich mit „Du“ angeredet. Selten fühlte ich mich so spitzbübisch, jemandem mein wahres Alter (77 Jahre) zu verraten. Es gibt nichts Schöneres als eine solche anerkennende Äußerung und beim vertraulichen „Du“ blieben wir auch!

Wir hatten ausgesprochenes Glück mit dem Wetter. Der vorhergesagte Wolkenbruch mit darauffolgendem schillernden Regenbogen ergoss sich erst über Illmitz nach unserer Rückkehr.

Vier exquisite Rotweine wurden daraufhin verkostet bevor wir schon ziemlich hungrig zum angekündigten „Barbecue für Genießer“ zugelassen wurden.

Viel Zeit zum Verdauen blieb uns auch dann nicht und schon servierte man uns die Süßweine und Trockenbeerenauslesen, wofür Kracher ja weltberühmt ist. Dass es dazu Kaiserschmarrn, Palatschinken und Apfelstrudel gab, brauche ich nicht extra zu erwähnen.

Die letzte gemütliche Stunde bis zum Abschied um etwa 19 Uhr verbrachten wir in der Gesellschaft von Freunden, umgeben von zahllosen Weinflaschen, die verlangten, geleert zu werden. Man sah uns an, dass wir die Veranstaltungen und einander doch sehr vermisst haben.  Lange brauchen wir aber nicht zu warten. In drei Tagen, am 1. Juni,  folgt schon die nächste!

Wolfgang Geissler

 
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