Rückblick auf den Vortrag „Österreich in einer wirtschaftlich prekären Lage – wie kommen wir da heraus?“ Mit Univ. Prof. MMag. Gabriel Felbermayr PhD in der Diplomatischen Akademie am 06.09.2022.

Von Wolfgang Geißler

Dem aufmerksamen Besucher wird es nicht entgangen sein, dass im Foyer zum Musiksalon der Diplomatischen Akademie Tafeln an der Wand hängen, auf denen die Absolventen dieser Akademie aufgelistet sind. Unter ihnen ein Alexander Christiani. Ich habe ihn wohl nicht gefragt, aber es muss ihn doch ein besonderes Gefühl überkommen, jedes Mal, wenn er dort Vorträge für unsere Gesellschaft initiiert und moderiert.

Unser Vizepräsident Dr. Alexander Christiani zitierte als Einleitung aus der deutschen linksliberalen Zeitung „Die Zeit“ den ehemaligen Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), vom 25. August 2022.  Dieses Zitat kann man, mit den Worten des Ex-Bundeskanzlers, am 3. September 2022 in der ebenfalls linksliberalen „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlicht, so zusammenfassen: „An der aktuellen Schieflage verdienen einige zurzeit unglaublich viel Geld. Wir können jetzt so tun, als wäre es eine tolle Idee, die Lage dem Markt zu überlassen. Aber wir werden vor einem gewaltigen Scherbenhaufen stehen. Die Politik muss den Markt kontrollieren.“ Am Ende der so beeindruckenden Rede, deklarierte sich Dr. Christiani leidenschaftlich als Gegner des hierzulande so weitverbreiteten „Regierungsbashing“, denn die Bundesregierung gibt nach bestem Wissen und Gewissen ihr Bestes. Die heimische Politik, so Univ. Professor Gabriel Felbermayr ein wenig später, hat in dieser Krise nur begrenzte Möglichkeiten, denn Geldpolitik wird in Frankfurt am Main gemacht und Frankfurt ist nicht in Österreich, noch ist Brüssel oder Washington und der Kreml ist 2000 km östlich von Wien. Wir können da nicht einfach aus eigener Kraft aus der Krise heraus. Eine europäische Lösung ist die Antwort!

Wenn jetzt jemand glaubt, dass der Vortrag Prof. Felbermayr, der Vizepräsident Dr. Christianis Einleitung folgte, ein einziger Marsch durch das tiefe, dunkle Tal der Tränen bedeuten würde, das möge Berufspessimisten und „Regierungsbasher“ wohl taugen, musste enttäuscht werden. Denn einerseits sei die Krise noch nicht da, was viele überraschen wird, und andererseits zeigen die Indikatoren eine Verbesserung der Lage an und versprühen somit sanften Optimismus.

Auch wenn die Gaspreise sehr hoch sind, ist der Optimismus berechtigt: Eine Zinswende wurde eingeleitet. Die Gasspeicher sind so ziemlich voll (Österreich zu 68,4 %), die Seefracht hat sich verbessert, Getreidelieferungen sind wieder da, der Arbeitsmarkt steht hervorragend da, 4,3 % Wachstumsrate und sprudelnde Einnahmen des österreichischen Staates aus der Mineralölsteuer. Autofahrer lassen sich von den hohen Spritkosten offenbar nicht abschrecken. Aber auch 90 % Österreichs Firmen sind exportorientiert und als solches zahlen ebenfalls fleißig Steuern. Die Reallöhne werden durch die heuer durchgeführte Steuerreform, der Abschaffung der sogenannten „Kalten Progression“, die man schon vor vierzig Jahren versprochen hatte, erhöht. Alles zusammen: rosige Prognosen?

Na ja, vielleicht nicht ganz. Die Eurozone bereitet Prof. Felbermayr Sorgen. Die Inflationsraten klaffen um 20 % auseinander, wobei die Balten die höchste Rate aufweisen und gerade Frankreich die niedrigste. Da ist guter Rat teuer! Die Kaufkraft wird geschmälert, was Prof. Felbermayr darauf zurückführt, dass die Coronakrise noch nicht verkraftet worden ist. 2023 wird es um 29 % weniger Gas geben, aber auch das ist (und ich zitiere) „nicht allzu katastrophal!“. Das Gleiche kann auch zu einer prognostizierten Rezession von 2,5 % gesagt werden. Wenn es zu keiner Gasunterbrechung kommt, sieht er für Österreich keine Rezession. Wir sind hier aber auch in einer besseren konjunkturellen Lage als Deutschland. Vor allem die Industrie steht besser da als die deutsche.

Also doch verhaltener Optimismus? Vielleicht sollte man sich bemühen, das dem sprichwörtlichen Stammtisch mitzuteilen, denn dem monatlich Konjunkturtest des WIFO zufolge schätzt die öffentliche Meinung die Lage viel schlimmer ein, als sie wirklich ist. Selbst Dr. Christiani gab zu, dass er am Anfang mit seiner Einleitung zu schwarz gemalt habe, aber im Laufe des Vortrages seine Meinung auf „es ist nicht so schlimm“ revidieren musste.

Es ist immer gut, Sanktionsregime auch zu hinterfragen. Aber es wäre naiv zu glauben, dass das Gas wieder fließt, wenn wir dort und da lockern. Die Sanktionen sind für Russland gar nicht das zentrale Problem. Was Russland wirklich ärgert, ist die militärische und ökonomische Hilfe für die Ukraine. Außerdem ist der Kreml derzeit nicht paktfähig. Mehr Gas gegen Reisefreiheit für Oligarchen? Das geht sich nicht aus. Zudem hätte Putin dann mit seiner Erpressungstaktik gewonnen.

Russland hat eine kräftige Rezession, und wir haben ordentliches Wachstum. Selbst wenn ab Oktober kein Gas mehr kommt, dann wird es 2023 einen Konjunktureinbruch um 2,5 % geben. In Russland reden wir über Größenordnungen von zehn Prozent. Sanktionen nützen natürlich niemandem wirtschaftlich. Der Schaden in Russland ist aber mindestens so hoch oder höher. Und er ist nachhaltig. Bei uns ist der Ausstieg aus dem Gas ohnehin geplant. Er kommt jetzt eben früher. Das ist teuer und mühsam, bringt uns aber früher an unser Ziel. Für Russland hat das Kaputtschrumpfen der Wirtschaft überhaupt keinen langfristigen Mehrwert.

Nach einer bisweilen „hard hitting“ Diskussion, die wieder die Intelligenz und Kenntnis unserer Mitglieder unter Beweis stellte, wurden wir endlich ins Foyer entlassen, wo bereits köstliche Canapés und die herrlichen Weine der Diplomatischen Akademie auf uns warteten.

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