„Wer Visionen hat, braucht einen Arzt“. Mit diesem bekannten Zitat begann Botschafter Dr. Alexander Christiani, Vizepräsident der Österreichisch Britischen Gesellschaft seine launige Einleitung zum Vortrag Andreas Treichls „Wie soll Europa finanziert werden“, ein Zitat, das man dem ehemaligen Bundeskanzler der SPÖ Franz Vranitzky zuschanzte, das aber vermutlich von dem Philosophen Rudolf Burger stammte, meinte jedoch zum Abschluss, dass man Visionen benötige, um Europa in der Zukunft finanzieren zu können.

Wie recht er hatte, bestätigte Andreas Treichl in seinen folgenden hochinteressanten Ausführungen.

Das Problem, mit dem man sich im Projekt Europa zu befassen hat, sind von einer enormen, schier unlösbaren Komplexität.

Zum einen beklagt man, dass man wohl eine „Wirtschaftsunion“ wären aber zum anderen, dass wir keine „emotionellen Werte“  besäßen. Wie falsch wir doch da liegen!

Zuallererst, wir sind eigentlich keine echte „Wirtschaftsunion“. Wohl waren wir eine solche der 70er und 80er Jahre, aber es fehlen heute im Wesentlichen die Finanzwirtschaft-, Bildungs- und Datenunion.

Andererseits sollten wir berechtigt auf  die Errungenschaften der EU stolz sein. Die Jahre von 1945 bis 2005 waren in jeder Hinsicht ein Riesenerfolg. Wir wuchsen zum größten Konsumentenmarkt der Welt, zum größten Wirtschaftsraum. Unfassbar, seitdem gibt es keine Kriege mehr, weder im Inneren noch im Äußeren. Wir sind auch tatsächlich zusammengewachsen!

Seither sind wir jedoch zurückgefallen. Mit Englands Austritt sind wir nicht mehr der größte Konsumentenmarkt der Welt. Sind wir dümmer oder fauler geworden? Fehlt es an der Risikobereitschaft? Wir sind immer noch enorm gut in der Wissenschaft, aber es fehlt an Eliteuniversitäten. Unsere Techniker und Mechaniker zählen zu den besten der Welt. Doch sie alle wandern ab oder werden von der fortschreitenden Digitalisierung abgelöst.

Bis 2007, also einem Jahr vor der Finanzkrise, stemmten die europäischen Banken die langzeitliche Finanzierung von Unternehmen und stützten sich auf deren Sicherheit (Kollaterale). Seit der Finanzkrise geht das nicht mehr.

Sogenannte „Knowledge Industry“, Wissensindustrie, die auf ihrem intensiven Einsatz von Technologie und Humankapital beruhen, also besonders von Wissen und Technologie abhängig sind, um Einnahmen zu generieren, sind seitdem nicht mehr durch Banken finanzierbar. Dazu bedarf es des Kapitalmarktes, der einzig und allein von Angebot und Nachfrage gesteuert wird. Treichl erinnert uns, dass unglaubliche  € 8000 Milliarden (8000000000000!) auf europäischen Bankkonten liegen.

Europa muss sich daher zu einer Daten- und Finanzunion durchringen, die jedoch von Deutschland, Österreich und einigen anderen abgelehnt wird. Man spricht warnend von einer „Schuldenunion“, wobei man natürlich an Italien aber auch Griechenland denkt. Dabei, so Treichl, gehören Italiens Schulden schon seit langem uns und Griechenland müssen wir uns leisten können. Um Europa weiterhin finanzieren zu können, bedarf es tatsächlich der „Visionen“, wie Vizepräsident Botschafter Dr. Christiani eingangs erwähnte.

Der Autor dieser Zeilen war überwältigt von der tiefen Kenntnis der Materie, wie sie sich in der Fragestellung vieler unserer Mitglieder zeigte, wenngleich manche Fragen um vieles länger dauerten als Andreas Treichls präzise Antwort.

Wieder erfreuten wir uns anschließend an köstlichen Canapés und erfrischendem Sekt, wie so oft, serviert vom freundlichen Personal des Café Ministerium. Wie immer bedauere diejenigen, die den gestrigen Vortrag verpasst haben. Wie schade!

Wolfgang Geißler

 
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